Faszien beeinflussen die Funktionalität des ganzen Körpers. Doch oft sind sie durch einen Mangel an Bewegung verfilzt. Welche Folgen das für die Gesundheit hat – und wie Faszientraining dir helfen kann.
Alles schön geschmeidig? Faszien rücken immer mehr in den Fokus wissenschaftlicher Forschung. Rund 20 Prozent des Körpergewichts macht das gigantische, reißfeste und dennoch flexible Faszien-Netz in unserem Inneren aus, das unsere Organe, Muskeln, Gefäße, Knochen, Sehnen und Bänder einschließt und miteinander verbindet.
„Faszien sind das, was der Laie früher als Bindegewebe bezeichnet hat. Dazu gehören nach Dr. Robert Schleip, Faszienforscher an der Universität Ulm:
- collagene Fasern,
- Bänder,
- Sehnen
- und auch die milchig-weiße Haut, die die Muskeln von außen umhüllt.
Sind die Faszien gesund, sind auch unsere Muskeln und Bänder geschmeidig und dehnbar, das macht uns beweglich, verleiht Flexibilität und stabilisiert den gesamten Körper. Auch wie straff deine Oberarme und Schenkel sind, liegt an den Faszien.
Dass es Faszien gibt, weiß man schon ewig. Aber ihre Funktion wurde lange unterschätzt. „Über viele Jahrhunderte dachte man, Faszien sind einzig und allein dafür verantwortlich, die Organe im Körper zusammen und an ihrem latz zu halten. Wie Geschenkpapier: irgendwie funktional, aber am Ende zählt der Inhalt“, sagt der Faszienforscher. „Seit einigen Jahren haben wir jedoch völlig neue Erkenntnisse erlangt. Heute wissen wir: Faszien beeinflussen entscheidend die Funktionalität des gesamten Körpers. Muskeln etwa arbeiten durch sie besser, das Herz hat eine ganz andere Schlagzahl.“
Faszien bei Kindern noch intakt
Welche Bewegungen gesunde Faszien ermöglichen, sieht man an Kindern. Ihre Faszien sind noch intakt und lose miteinander vernetzt, dünn, straff und elastisch. Kinder nutzen das gesamte physiologisch mögliche Bewegungsspektrum: Sie gehen spielerisch leicht in die Hocke, hüpfen, springen, stecken gar problemlos ihren Fuß in den eigenen Mund.
„Sie bewegen sich einfach artgerecht, nämlich oft schwingend, federnd und hüpfend. Genau dafür ist der menschliche Körper konzipiert, das hält die Faszien geschmeidig“, sagt Faszienforscher Schleip.
Verklebte Faszien durch Bewegungsmangel
Nur: Welcher Erwachsene macht das schon? Viele Erwachsenen sitzen die meiste Zeit des Tages – was eigentlich gegen unsere Anatomie geht. Vom Bürostuhl auf die Couch – das eine vielfältige, alltägliche Bewegung oft zu kurz.
Doch durch den Bewegungsmangel verfilzen und verkleben nach und nach deine Faszien. Bei vielen Erwachsenen kann man das deutlich auf dem Ultraschall sehen.
Die Folgen von zu wenig Bewegung: Dein Körper wird steif, weniger dehnbar und beweglich, auch die Verletzungsanfälligkeit und das Risiko für Gelenkdegenerationen, wie eine rheumatische Arthritis, steigen.
„Die Probleme treten dann in der Regel genau in den Gelenken auf, in denen wir nur noch einen kleinen Bewegungsspielraum nutzen – wie beim Knie- oder Hüftgelenk. Wer viel am Schreibtisch sitzt, beugt sein Hüftgelenk nur von der Streckung im Stehen bis maximal 90 Grad im Sitzen – mehr nicht. An den Ellenbogen hingegen bekommt kaum jemand Rheuma, weil wir das Gelenk im Alltag noch optimal auslasten und es in alle Richtungen bewegen und drehen“, sagt der Faszienforscher.
Verklebten Faszien vorbeugen: hüpfen statt sitzen
Willst du verklebten Faszien vorbeugen, gilt also: in Bewegung zu kommen. Ideal für deine Faszien sind federnde und hüpfende Bewegungen, wie:
- Seilspringen,
- Trampolinspringen,
- Joggen
- oder Zumba.
Auch Dehnungen wie im Yoga tun den Faszien gut, zudem sollten wir im Alltag immer wieder bewusst die Haltung ändern. Also zwischendurch mal in die Hocke gehen oder in den Fersensitz kommen, im Homeoffice auch mal im Schneidersitz auf dem Schreibtischstuhl sitzen.
Faszienrolle gegen Rückenschmerzen
Auch eine Hartschaumrolle (auch Faszienrolle genannt) kann helfen, verfilztes Gewebe zu lockern. „Die langfristige Wirkung der Rollen ist zwar noch nicht eindeutig belegt, die Beweglichkeit der Gelenke ist direkt nach dem Training aber spürbar besser“, bestätigt der Faszienexperte.
Die Faszienrollen machen es zudem vielen leichter, überhaupt in Bewegung zu kommen. „Es sind alltagstaugliche Tools“, sagt auch Schleip. „Einer der größten Vorteile der Faszienrollen ist ihre Selbstwirksamkeit: Man rollt und merkt, dass man sich dadurch selbst helfen kann, dass etwa Rückenschmerzen besser werden. Allein dafür lohnt sich das Training schon.“
Faszientraining: Wie lockerst du deine Faszien richtig?
Entscheidend bei jeder Art von Faszientraining ist die Regelmäßigkeit und vor allem Geduld. „Je länger die Faszien bereits verklebt sind, desto schwieriger ist es, sie zu lösen“, sagt der Faszienforscher Schleip. Wichtig ist auch, sich nicht zu überfordern. Zur Lockerung der Faszien solltest du am besten täglich Übungen machen.
Leistungsdenken hat im Faszientraining keinen Platz – es soll uns gut tun und ist kein Wettbewerb. „Die Bewegungen sollten achtsam und körperfreundlich durchgeführt werden, sonst riskiert man Zerrungen, die nur langsam heilen“, betont der Faszienexperte.
Der Faszienforscher nennt auch den optimalen Trainingsbereich: die „Wohlwehzone“. Wie merkst du, dass du deine Faszien richtig trainiert? „Wer während der Übung einen spitzen, lauten Schrei ausstößt, macht zu viel“, so der Faszienexperte. „Ein genüssliches, mehrsilbiges Jammern hingegen ist erwünscht – dann macht man es genau richtig!“